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Wochenspruch
„Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Joh. 12,32
Himmelfahrt ist ein Einschnitt. Vorher war er noch da. Jetzt ist er weg. Vorher konnten sich die Jünger an Jesu Gegenwart anlehnen. Jetzt müssen sie einander stützen. Vorher hat er ihnen gepredigt. Jetzt heißt es, sich an seine Worte zu erinnern und sich gegenseitig zu ermutigen. Es wäre so schön gewesen, wenn er dageblieben wäre. Aber er muss gehen, damit sich Neues entwickeln kann. Ab Himmelfahrt beginnen sich die Jünger und Jüngerinnen auf ihre Kraft zu besinnen. Sie warten auf ein Zeichen von ihm. An Pfingsten merken sie es: die Kraft kommt, sie können in seinem Sinne weiterwirken.
Jesus verlässt sie auch nicht ohne ihnen eine Perspektive zu geben. Das tut er mit außerordentlich eleganten Worten:
„Wenn ich erhöht werde von der Erde…“ Da denken wir zuerst an Himmelfahrt. Aber nein! Er meint seine „Erhöhung ans Kreuz“, er meint die Kreuzigung. Johannes spricht von Jesus wie von einem König, der am Kreuz „thront“. Die Jüngerinnen und Jünger sollen sich nicht erschrecken vor dem, was das Auge sieht. Jesus fordert sie auf, dahinter zu sehen und weiter zu blicken. Nichts wird sie trennen. „Ich will alle zu mir ziehen.“ Selbst der Tod trennt nicht. Blickt weiter! Schaut dahinter!
Wie schwer fällt uns das gerade. Dürfen wir Familienfeiern planen? Wie steht es um unsere sommerlichen Feste? Das Oktoberfest ist schon abgeblasen. Möge der Katharinenmarkt stattfinden!
Für die Jüngerinnen und Jünger steht auch alles Kopf. Doch ab Himmelfahrt versammeln sie sich und teilen die aufrichtenden Gedanken und Erinnerungen an ihn. Sie geben nicht auf, sondern hoffen motiviert. Das tun wir jetzt auch. Ab Himmelfahrt steigen wir aus unserem digitalen Konzept aus, das wir seit dem 4. Advent kultiviert haben. Jeden Sonntag gab es Hörbotschaften zum Zuhören und Mitsingen für die „Kirche Daheim“. Es hat trotz aller bedrückenden Umstände Freude gemacht im Geiste verbunden zu sein und der Gemeinde per Handy eine Feier nach Hause zu schicken.
Jetzt aber treten wir heraus aus dieser Zeit. Wir wagen es, uns zu versammeln. Das tun wir im Freien mit schönem Blick auf Seelbach unterhalb der kleinen Friedhofskapelle. Wir werden Abstand halten, Masken tragen, der Musik zuhören und einen Klappstuhl mitbringen. Wir werden mit dem Wetter leben, den Regenschirm aufspannen oder den Sonnenhut aufsetzen. Aber wir werden wieder – auf Abstand – zusammenkommen. Himmelfahrt ist die Zäsur. Bei den Jüngern und auch bei uns. Mitte März 2020 habe ich angefangen wöchentlich für das Mitteilungsblatt zu schreiben, weil wir uns nur noch begrenzt treffen konnten. Jetzt hoffen wir einen Weg gefunden zu haben, uns außerhalb unserer kleinen Kirche wiederzusehen.
Es ist ein Abschied von der „Kirche Daheim“, von den Hörbotschaften und Lesetexten im Mitteilungsblatt, aber es ist ein Neuanfang für die „Kirche Miteinander“ – im Freien.
So starten wir neu an der frischen Luft, abenteuerlich den Launen des Wetters ausgesetzt, aber wieder leibhaftig von Angesicht zu Angesicht. Ziehen Sie sich klimatisch durchdacht an, schnappen Sie sich den Campingstuhl und erleben Sie das Wetter und die Gemeinschaft neu!
Exaudi Domine! Höre Herr, meine Stimme. Unsere Hoffnungen sind ein Gebet.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre Pfarrerin Anke Doleschal
Wochenspruch
Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Psalm 66,20
„Ich kann nicht beten“, erklärt mir mein Gegenüber. Dann schweigt er, aber spürt, dass es das jetzt erklären sollte. Ja, da war vieles, was nicht so gelaufen ist in seinem Leben, wie er sich das gewünscht hätte. Das findet er ungerecht. Gott trägt seiner Meinung nach dafür die Verantwortung. Er hätte das besser machen müssen. „Haben Sie Gott das mal gesagt?“ Er schaut mich verwundert an. „Gott müsste doch wissen, was zu tun ist“, meint er. Ob er mit seiner Frau auch so umgeht? denke ich. Die muss auch wissen, was er täglich will. Da muss man ja nicht mehr miteinander reden…
Mir kommt in den Sinn, wie herzzerreißend Martin Luther mit Gott gesprochen hat – denn nichts anderes ist ein Gebet. Sein guter Freund Philipp Melanchthon hatte nach unerquicklichen Verhandlungen mit dem Landgrafen von Hessen einen Zusammenbruch erlitten. Der Landgraf wollte seine Konkubine als Zweitfrau ehelichen und Melanchthon muss darüber speiübel geworden sein. In Weimar bricht er die Rückreise ab, weil er sterbenskrank darnieder liegt. Martin Luther wird zu seinem Freund gerufen. Was tut Luther? Er kommt geeilt, fällt auf die Knie, klagt, ja schimpft mit Gott inniglich. Sein Gebet war ein verzweifeltes Poltern. Nein, er will nicht mehr weitermachen mit seinen Predigten und seinem reformatorischen Auftrag, wenn Gott seinen besten Freund und Helfer ihm von der Seite reiße. Luther beschreibt es so: „Ich warf ihm den Sack vor die Tür. Du musst Gott mit seinen Worten fangen, du hast es gesagt, Gott, also musst du es auch tun. Du musst Gott mit seiner Verheißung die Ohren reiben, bis sie heiß werden.“ Luther hat da keine Berührungsängste. Er spricht mit Gott ohne Skrupel und Hemmungen. Luther hat Gott ernst genommen, hat ihn beim Wort genommen wie man einen wahren Freund ernst nimmt. Er warnt uns dabei vor falscher Bescheidenheit, Verklemmung oder Zögerlichkeit: „Ihr gleicht dem Toren, der beim König einen Wunsch frei hat – und verlangt eine Bettelsuppe.“ Melanchton begann nach Luthers innigem Gebetsausbruch wieder hörbar zu schnaufen. Luther ordnete an, ihm sofort etwas zu essen zu bringen. Leider war nichts anderes im Haus als Spinat und den konnte Melanchton nicht ausstehen. Aber er hat überlebt und überlebte Luther noch um 14 Jahre - Melanchton, der große Kopf des Abendlandes, der Vater unseres Bildungssystems. Nutze diese Kraft, nutze Gottes Macht in deinem Meer von Sorgen. Schütte dein Herz aus! So mancher mag dies auch getan haben wie Pfarrer Friedrich Hiller. Auch er wusste seine Sorgen bei Gott gut aufgehoben. Doch 1751 bemerkt er eine zunehmende Heiserkeit. Das Predigen fiel ihm immer schwerer: „Ich bete, ich weine, ich schütte mein Herz aus, ich flehe um die Wiedererlangung meiner Stimme. Ich stütze mich auf die Worte Jesu: Alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, werdet ihrs erlangen…“ Äußerlich hatte das Flehen des Pfarrers Hiller keinen Erfolg. Seine Stimme verstummte. Er dachte über sein Leiden nach und fing dabei an Lieder zu schreiben. Über tausend Lieder brachte er zu Papier, von denen etliche heute in unserem Gesangbuch stehen. Niemand hätte mehr über seine Predigten gesprochen, aber seine Lieder erklingen heute noch in den Kehlen vieler Sänger zur majestätischen Orgel. Er, der um Stimme bat, dessen Worte klingen immer noch. Manchmal erkennen wir erst rückblickend, dass Gott uns nicht überhört hat. Wir wünschten uns eine Bettelsuppe – aber auf das edlere Gericht, das für uns vorgesehen ist, müssen wir manchmal länger warten und denken dabei, der Koch hätte uns vergessen.
Rogate – betet! Statt in diesen Zeiten nun Schuldige zu suchen und Maßnahmen zu kritisieren, sollten wir es mal mit Beten versuchen. Beten um Kraft für die Menschen, die andere retten. Beten für Menschen, die Verantwortung tragen, beten für Menschen, die sich verrannt haben, beten für Menschen die am Sarg ihres Angehörigen stehen. Beten für die Forschung und Wissenschaft, beten für die Nerven der Lehrer…Sie wissen ja selbst, worum es geht. Rogate! Betet!
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Pfarrerin Anke Doleschal
Wochenspruch
„Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Psalm98,1
Singen! Wer wagt das zur Zeit? „Welch ein Aerosolausstoß!“, denken wir. Früher waren wir höchstens zögerlich, weil unsere Stimme unseren Erwartungen nicht standhielt oder so mancher meinte, sich zu blamieren, wenn es etwas emotionaler wird. Aber jetzt fehlt das Singen selbst den Zaghaften! Singen hat einfach noch mehr Tiefgang als Sprechen und geht unter die Haut. Inzwischen haben wir fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn wir an der Ampel mit heruntergekurbelter Scheibe zum Radio trällern. Was waren Musik und Gesang im zurückliegenden Jahr auf Diät gesetzt! Gottesdienste ohne die Stimme neben mir, die mich ausgleicht, wenn ich den Ton nicht treffe. Gottesdienste ohne den Schwung, in den wir miteinander geraten, wenn unsere Kirchenhits und Golden Oldies angestimmt werden. Wenn wir singen, dann singen wir nicht für uns. Sonntags ist unser Singen höherer Natur. Es ist ein anders Singen als das Pfeifen beim Spaziergang oder Song unter der Dusche. Sonntags stimmen wir ein in den Gesang der Engel. „Ehre sei Gott in der Höhe“, hörten die Hirten auf den Feldern. Das ist das Lied der Engel und wir dürfen mitsingen. Nun singen die Engel ohne uns – oder sie singen an unserer statt, für uns. Wie hat uns unser Gesang ermutigt, wenn wir früher einen Botengang in den Keller unternehmen mussten. O wehe, wenn unsere Stimme vor Grusel zitterte. Dann war es um uns geschehen. Wie spornte uns die Musik an, als wir bei den Wettkämpfen einen Sprint hinlegen mussten. Wie verwandelt ein vertrautes Lied unser Gemüt, was steckt alles darin an Erinnerungen, Ermutigung und Leichtigkeit. Wir merken schon, dass wir viel weniger singen. Wir schlaffen psychisch ab, die Flügel unserer Seele werden lahm. Aber wie sehr werden wir aufleben, wenn wir wieder einstimmen dürfen in den Klang der Orgel. Wie wird das erste „Großer Gott, wir loben dich“ erschallen, wenn wir wieder dicht gedrängt in der vollen Kirche sitzen? Jetzt merken wir, was für ein Glück wir damals hatten, welche Freude aus den selbstverständlich gewordenen Dingen strömen kann.
So mancher hat mir in den letzten Tagen gesagt: “Ich habe die zweite Impfung. Ja, ich halte mich an alles, wie die anderen auch, aber ich fühle mich befreit.“ „Wie ein Sechser im Lotto“, hörte ich beim Friseur. Wie ein Wunder wird es sein, wenn die Gefahr gebannt ist. Dann ist es Zeit für ein neues Lied. Es wird der alte Text sein mit der vertrauten Melodie, aber wir werden es neu singen voller Dankbarkeit und tiefster Freude.
Bis wir uns wiedersehen und miteinander singen, lauschen wir dem Konzert der Vögel und gönnen es uns aus voller Kehle daheim einzustimmen – denn auch dort singen die Engel mit!
Einen fröhlichen Sonntag Kantate wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Anke Doleschal
Wochenspruch
"Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." 2. Kor.5,17
Wir sitzen im Schatten der schwarzen Segel aus gewobenem Ziegenhaar und genießen die Ruhe auf den Holzbänken. Die Luft ist warm und schwer, wir befinden uns 400 Meter unter dem Meeresspiegel am Ufer des Jordan. Doch gleich ist es mit der Ruhe dahin: Eine Gruppe libanesischer Christen nähert sich temperamentvoll der sogenannten Taufstelle Jesu. Sie haben Transistorradios geschultert mit geistlichen, orientalischen Liedern und singen laut mit.
Eben haben wir uns noch andächtig hineinversetzt in die Worte des Täufers und ihre historische und politische Dimension reflektiert. „Ändert euer Leben, ihr Schlangenbrut. Warum seid ihr euch so sicher, dass ihr dem Zorn Gottes entkommen könnt! Es ist die Axt den Bäumen schon an die Wurzel gelegt. Bringt gute Frucht! Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keins hat, wer zu essen hat, tue ebenso. Tut niemandem Gewalt oder Unrecht…“
Wer damals ins Wasser stieg, um sich untertauchen und taufen zu lassen, setzte ein Zeichen: Ich will mich ändern. Ich will anders leben, ganz gleich was die Gesellschaft dazu sagt.
Die Libanesen haben nun ihr Ziel erreicht. Die Gruppe lässt sich in unserer stillen Nähe hörbar nieder. Die Begeisterung geht mit ihnen durch. Etliche sind in weiße Kleider gehüllt und haben ihre Alltagskleidung abgelegt. Sie streben dem Wasser zu. Ihr Geistlicher spricht, wir beobachten fasziniert. Es wird gesungen und die Weißgewandeten tauchen als Tauferinnerung unter. Ihre weißen Kleider haben sie bewusst gewählt: weiß, neu, rein. Neues soll werden. Altes Verhalten soll weggespült werden, es soll rausgewaschen werden aus der letzten Faser unseres egoistischen Daseins.
Nun, der gute Wille ist da. Mit Christus an der Seite und seinen Worten im Herzen können wir tatsächlich neu werden in unserem Handeln und Denken. Aber legen wir darauf Wert? Da sind die anderen, denen wir gefallen wollen. Da sind die Kumpels, vor denen wir cool auftreten wollen. Kirche? Glaube? Religion? Der braucht Rückgrat, der sich dazu bekennt! Ja, es ist einfach dem Zeitgeist nachzugeben. Kirchenaustritte sind gerade sehr beliebt. „Die Anderen machen es ja auch und ich benütze die Kirche ja nur einmal im Jahr an Weihnachten.“ Aber Kirche ist nicht etwas zum Benützen oder Konsumieren, sondern etwas zum Verinnerlichen. Arbeite ich dran neu zu sein, meine Seele und meinen Geist upzudaten, damit er gestärkt, aufrecht und aufrichtig den Alltag meistern kann? Bin ich ein Mensch mit Profil, der mitdenkt, dem Werte wichtig sind und sie immer wieder im Dialog mit den Worten Jesu auffrischt? Wir können nicht ohne unsere Gemeinschaft und ohne den Dialog im und nach dem Gottesdienst uns aus uns selbst heraus erneuern. Das können wir nur, wenn die Worte Jesu in uns nachhallen und jeden Sonntag neu zum Klingen gebracht werden. Kirche hat viele Gesichter, stellen wir am Ufer des Jordans fest. Da sind wir, die Nachdenklichen, da sind die anderen, die Enthusiastischen. Wir treffen uns am gleichen Punkt und schauen interessiert einander an. Aber wir alle haben ein Ziel: das Alte hinter uns zu lassen und neu zu werden mit Christus im Herzen.
Das kann auch sichtbar gemacht werden:
Christus am „Engelkreuz“ ist inzwischen das Herzstück des Pfarrgartens am Friedhofsweg geworden. Unser Vorgarten stellt bildlich dar, was der Wochenspruch meint. Haben Sie entdeckt, wieviel neu geworden ist um das Kreuz herum? Zu Jesu Füßen ist das Immergrün weiß erblüht, um ihn herum wacht das tote Holz des Zierapfels zu neuem Leben, treibt aus und wird bald blühen. Wenn im Herbst die Blütenpracht langsam müde wird, startet die blaue Bartblume durch. Sie alle spenden Bienen und Vögeln Nahrung. Während ich diese Zeilen schreibe, wird die Eberesche hinter dem Kreuz gepflanzt. Die Eschen haben sehr gelitten in den letzten Jahren. Bei uns soll sie leben. Ihr frisches Grün klingt wie der Auferstehungsruf ohne Worte. Bald wird sie blühen und im Herbst mit ihren Beeren die Vögel versorgen.
Mitten in dem erwachenden Leben sehen wir Christus am Engelkreuz. „Neues ist geworden“, wollen die Pflanzen den Spaziergängern zurufen. Der Tod ist überwunden, das Alte ist vergangen. Nehmen wir Christus in unsere Mitte, in die Mitte unseres Lebens und Denkens, wie die Pflanzen im Vorgarten des Pfarrhauses.
Sie sind herzlich eingeladen auf einen Besuch vorbeizukommen.
Mit den besten Segenswünschen
Ihre Pfarrerin Anke Doleschal
Wochenspruch
„Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie uns sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Joh.10, 11a.27-28a
Oft übernehme ich die Rolle des „Lumpensammlers“ auf biblischen Wanderungen. Man könnte meinen, dass es recht romantisch sei, sich zurückfallen zu lassen, um dann die Stille der weiten Wüste zu genießen. Das geht eine Weile gut, doch dann zeigt sich die Realität und diese ist nicht romantisch. Mir lief plötzlich ein kalter Schauder über den Rücken, als ich an den Felswänden Dingo artige Wesen auftauchen sah. „Den Letzten beißen die Hunde! Schnell, sieh zu, dass du den Anschluss findest.“ Als ich dann mit klopfendem Herzen dem Reiseführer, der wie ein Hirte voranging, meine Lumpensammlerbeobachtung unterbreitete, lachte er laut: „Eine einsame Ziege ist eine leichte Beute!“, zitierte er ein orientalisches Sprichwort. Wie anstrengend musste es gewesen sein, auf eine Herde aufzupassen ohne Elektrozaun und Bauwagen. Immer wachsam, immer in Verteidigungshaltung. Zu biblischen Zeiten lebten zwischen den Felsen auch Löwen und Bären, nicht nur Dingos und Hyänen. Es kann lebensgefährlich für den Hirten sein. Er muss Feuer machen, in Kontakt mit den Hirtenhunden bleiben, die scharfen Augen stets geschult in die Weite schweifen lassen. Hirte sein war kein romantischer Beruf. Das Bild des flötenspielenden Jünglings, der vor lauter Zeitvertreib zum wahren Musikus wird, können wir vergessen.
Wer wollte da sein Leben riskieren? Oftmals gehörten den Hirten die Herden gar nicht. Sie waren schlecht bezahlte Angestellte. Wer will sich für fremdes Eigentum aufopfern? Jesus kennt diese Haltung. Das sind die Mietlinge, die es nicht so ernst mit ihrer Aufgabe meinen und den Hirten einen schlechten Ruf verpassten. Daher galt vor Gericht die Aussage eines Hirten nicht. Sie waren Außenseiter der Gesellschaft. Sie hatten nichts zu verlieren und hatten daher auch wenig Interesse, sich für fremde Schafe schwer ins Zeug zu legen.
„Ich bin der gute Hirte!“ betont Jesus. Es gibt also auch andere, können wir da herauslesen.
Ich nehme meine Aufgabe ernst. Ich setze mich ein für die mir Anvertrauten. Da steckt Ethos dahinter. Das ist ein Wert, den wir gerade in diesen Zeiten brauchen. Uns ist viel anvertraut – uns ist das Leben unseres Nächsten anvertraut. Uns wird anvertraut verantwortungsbewusst und rücksichtsvoll zu handeln. Wir haben die Mitarbeiter der Intensivstationen vor Augen, die um das Leben der inzwischen immer jünger werdenden Patienten ringen. Sie kämpfen wie ein guter Hirte. Das tun die Lehrer, die versuchen ihre Schäfchen auf Niveau zu halten, ebenso wie die Großeltern, die sich einen Impftermin erringen, um für die Familie da zu sein. Das erleben wir bei ungezählten Ehrenamtlichen, die mit Mundschutz und in Folie gepackt in Hallen stundenlang Dienst tun. Da finden wir das Ethos des guten Hirten. Zu diesem Ethos gehört es nicht zu fragen, was es kostet, worauf man verzichtet oder was man gerade entbehren muss. „Ich gebe mein Leben für meine Schafe“, sagt Jesus. Gute Hirten geben. Mietlingen ist es gleichgültig, Mietlinge reißen ihre Stunden runter, Mietlinge schielen auf den Feierabend, Mietlinge überlegen, wie sie anderweitig Profit schlagen können. Oftmals haben Hirten einfach mal ein Schaf veräußert oder geschlachtet – wir kennen die Mietlinge unserer Zeit, anfällig für Korruption, Vetternwirtschaft, Aktionen der Verantwortungslosigkeit gepaart mit einer gewissen Arroganz.
„Meine Schafe hören meine Stimme“, weiß Jesus. Auf wessen Stimme hören wir, welcher Stimme folgen wir? „Ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Dieser Hirte Jesus hat sein Leben gegeben, damit er anderen Leben geben kann. Es wird die Zeit kommen, in der die Coronatoten nicht mehr in Zahlen heruntergeleiert werden, sondern benannt und gewürdigt werden. Es wird die Zeit kommen, da werden sie Namen tragen und keine Nummern. Da werden wir merken durch welche Hölle etliche Mitmenschen gegangen sind, während andere sich träge auf dem Sofa räkelten und jammerten, dass sie nicht mehr können. Wo bleibe ihr Leben, wo bleibe die Party? Für viele hat es sich ausgefeiert. Die konnten noch nicht einmal ihre Beerdigung richtig feiern. Dann werden wir merken, wie viele Menschen ihr Leben gegeben haben, damit andere leben können. Es ist an der Zeit an sie zu denken und nicht an sich selbst.
Doch eins tröstet: Der gute Hirte Jesus wird ihnen das ewige Leben geben.
„Schäfchensonntag“, wird dieser Sonntag auch liebevoll genannt. Er erinnert uns an die Stimme des guten Hirten, der Verantwortung vorlebt und dessen Stimme uns leiten kann.
Ihnen einen gesegneten „Misericordias Domini“ – „Die Barmherzigkeit des Herrn!“
Ihre Pfarrerin Anke Doleschal
Wochenspruch
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ 1.Petrus 1,3
Ich starre auf den Bildschirm und kann es nicht fassen! Wieviel Zeit habe ich davor zugebracht. Manchmal bin ich nachts aufgestanden, getrieben von dem verzweifelten Versuch nichts unversucht zu lassen. In dem Augenblick, an dem ich aufhörte zu hoffen, kam ich durch. Er wurde wahr: Der Impftermin für das alte Ehepaar. Dann bekam ich auch einen Impftermin für mich! Ich glotze verdutzt auf die Mattscheibe. Ist das jetzt wirklich wahr? Haben wir es geschafft? Beginnt wirklich die Ära des Geimpftseins? Für die um mich und für mich? Es fühlt sich an wie neu, wie eine Auferstehung mitten im Leben, eine Auferstehung aus Stille und Lock Down - auch wenn mit Fieber und Schüttelfrost zu rechnen ist. Wenn es nur hilft!
Wir sind gerade ziemlich oft am Ende, am Ende mit den Nerven, am Ende des Geldes, am Ende der Hoffnung, am Ende mit unserem Latein. Wir kennen die Schwelle, an der wir keine Kraft mehr haben weiterzukämpfen. Das ist der Punkt, an dem wir loslassen, der Punkt an dem wir hinschmeißen wollen und nur noch sagen: „Gott, es reicht. Schluss. Aus. Jetzt mach du. Ich mach nichts mehr. Ich kann nicht mehr. Du bist dran – ich gebe es ab.“ „Schmeiß Gott den Sack deiner Sorgen vor die Füße“, rät Martin Luther.
Der Rücken schmerzt, wir schlafen schlecht, Make up kann auch nichts mehr wettmachen. Wir fühlen den Karsamstag am eigenen Leib. Da kommt die Email: Sie haben einem Impftermin! Da kommt eine erlösende Nachricht! Da befreit ein ersehntes Gespräch! Das entlastet ein vertrauensvolles Telefonat! Das Zittern hat ein Ende, der Stein rollt vom Herzen, die Last fällt von den Schultern, da liegt nichts mehr auf dem Magen! Wie wiedergeboren fühlen wir uns. Ein Gefühl wie an einem Ostermorgen. Wir riechen wieder die Frische in der Luft, wir spüren wieder, wie die Sonne wärmt und der Kaffee schmeckt ganz anders. Das Herz ist frei. „Gelobt sei Gott, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat!“ So beschreibt es auch Marie Luise Kaschnitz:
„Manchmal stehen wir auf/ Stehen wir zur Auferstehung auf / Mitten am Tage/ Mit unserem lebendigen Haar / Mit unserer lebendigen Haut.“ Der Alltag ist der alte geblieben, das Gewohnte gewöhnlich. Doch sie schreibt weiter: „Und dennoch leicht / Und dennoch unverwundbar / Geordnet in geheimnisvolle Ordnung / Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“
Der schwerste Stein ist von uns genommen. Der Stein vor der Tür des Grabes, der Stein, der auch auf unserem Tod lastet: „Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“. Die Steine des Streites, der Unsicherheit der Zukunft, der Stein der Geldsorgen, der Stein Arbeitslosigkeit – sie alle drücken uns. Wenn diese wegrollen, fühlen wir uns wie neugeboren!
Wie fühlen wir uns erst, wenn die letzte große Angst vor dem Ende davonrollt? Da werden uns vor Freude die Worte fehlen oder wir sagen einfach: „Gelobt sei Gott.“
Quasimodogeniti – wie die Neugeborenen können wir uns am heutigen Sonntag fühlen!
Mit herzlichen Grüßen von Pfarrerin Anke Doleschal
Quasimodo geniti - wie die neugeborenen Kindlein können wir uns fühlen am Sonntag nach dem Osterfest!
Herbie ermuntert uns dazu mit dem Osterlied "Auf, auf, mein Herz mit Freuden" EG 112
Montag und Mittwoch von 15.00-18.00 Uhr
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